Denkt man an Motorsport, so kommen einem Tempo, heulende Motoren und nicht zuletzt die karierte Zielflagge in den Sinn. Beim Motorrad-Trial ist allerdings alles anders – Geschicklichkeit ist hierbei das Stichwort: Hindernisse wie Steine, Wurzeln oder Felsabsätze müssen fahrend überwunden werden – im Vordergrund steht also die Beherrschung des Motorrads. So gelten Trialfahrer als Meister der Balance.
Sie fahren eher langsam, manövrieren zentimetergenau mit Vorder- und Hinterrad und setzen den Gasgriff beherrscht ein, um das Bike mit gezielten Stößen zu steuern. Beobachtet werden sie dabei von Punktrichtern, denn bereits das Aufsetzen eines Fußes wird mit einem Fehlerpunkt bestraft.
NUMMER 1 = DER KOPF Ich sage ganz klar: Beim bewältigen der Sektionen spielt der Kopf eine entscheidende Rolle. Man braucht schon ein starkes Nervenkostüm um im Labyrinth aus Hindernissen einen Blick für die Spur zu behalten. Es gibt nie den einen richtigen Weg – so muss man für sich selbst bestimmen, auf welche Weise man am besten durchkommt. Konzentration ist dabei das A und O, genauso wie die Fähigkeit vorausschauend zu agieren. Alleine wäre das schwierig, weshalb jeder Trialfahrer seinen „Minder“ hat. Gemeint ist damit eine Art „Co-Pilot“ der sich natürlich nicht bei mir auf dem Bike befindet, sondern meine Aktionen aus nächster Nähe beobachtet, denn nur er hat volle Sicht auf das Hinterrad. Ähnlich wie ein Beifahrer im Rallyesport macht er die Ansagen, aber nicht nur: im Falle eines Sturzes muss er mein Motorrad auffangen – also ist das Vertrauen zum „zweiten Augenpaar“ enorm wichtig.
NUMMER2 = DIE REIFEN Wer einen Trial-Reifen anfasst, wird sich wundern: die Stollen fühlen sich an wie Gummibärchen. Tatsächlich setzen wir Pneus aus extrem weichen Gummimischungen ein, um auf der jeweiligen Oberfläche über eine optimale Haftung zu verfügen. In Sachen Setup variiert man mit dem Härtegrad und dem Druck – überhaupt fahren wir mit sehr geringer Luftbefüllung. Dadurch kann sich die Lauffläche besser an den Untergrund anschmiegen.
NUMMER3 = DER SITZ Hinsetzen? – nein danke! Sucht jemand an meinem Bike nach einem Sitz, dann wird er keinen finden. Ein solcher würde mich nur in meiner Bewegungsfreiheit einschränken, also wird er weggelassen, wie alles, was unnötiges Gewicht verursacht. Wir Trialfahrer üben also unseren Sport ausschließlich stehend aus.
NUMMER4 = DER MOTOR Ich betreibe wohl die einzige Motorsportart, bei der das antreibende Aggregat nicht auf Höchstleistung ausgelegt ist. Drehzahlen und Power sind zweitrangig, ganz im Gegensatz zum Drehmoment: Sprünge aus dem Stand zu praktizieren – das geht nur bei optimaler Gasannahme und Durchzug schon aus niedrigen Drehzahlen. Außerdem müssen unsere Motoren, die über einen Hubraum von 250 bis 300 ccm verfügen, einen stabilen und zuverlässigen Leerlauf gewährleisten.
NUMMER5 = DAS GETRIEBE Wir verfügen maximal über sechs Gänge welche allesamt sehr kurz übersetzt, und fein abgestimmt sind. Eine wichtige Rolle spielt aber auch die Kupplung mit ihren ganz speziellen Eigenschaften: sie muss weich zu dosieren sein, vor großen Hindernissen aber, wird sie komplett gezogen. Durch das umgangssprachliche „schnalzen lassen“ kann ich wiederum aus dem Stillstand Sprünge auslösen – so ist dieser Mechanismus besonders wartungsintensiv. Wir Trialfahrer hüten sowohl die Kupplung, als auch das Federbein wie unseren Augapfel.
NUMMER6 = DIE FUSSRASTEN Beim Bewältigen einer Sektion dürfen meine Füße nichts weiter als das Motorrad berühren. Sprich: sie sollten bitteschön in den Rasten bleiben und möglichst keinen Kontakt zu den Hindernissen oder zum Boden bekommen – andernfalls kassiere ich Strafpunkte. Anders verhält es sich mit der Bodenplatte, die den Motor vor Schlägen schützt: sie wird sehr wohl, als legitimes Hilfsmittel zum Aufsetzen des Bikes eingesetzt.
NUMMER7 = DER LENKER Ein Trialfahrer kennt seinen Lenker blind. Die Armaturen sollten möglichst ergonomisch angeordnet sein, wobei natürlich jeder Zweirad-Artist seine persönlichen Vorlieben hat, was die Gestaltung betrifft. Auch die Lenker-Länge ist von Bedeutung – ebenso wie ein weiter Einschlag, denn immer wieder müssen wir auch enge Radien fahren.
NUMMER8 = DER GASGRIFF Grundsätzlich gilt: ein bisschen Anzupfen am Gas erzeugt bei einem Trial-Motorrad eine große Wirkung. Schon ein halber Millimeter kann eine Situation entscheidend beeinflussen. Jedenfalls muss man in der rechten Hand ein absolut feines Gespür besitzen, um mit präzisen Stößen das Vorderrad exakt anzuheben oder geeignete Sprünge auszulösen.
NUMMER9 = DER KÖRPER Begabte Fahrer setzen ihren Körper sehr geschickt ein, sodass sie mit dem Motorrad eine Einheit bilden. Wiederum ist das nur erreichbar, wenn man entsprechend leistungsfähig ist. Eigenschaften wie Gelenkigkeit, Kraft und Ausdauer sind deshalb sehr bedeutsam. Anders formuliert: wer mit sich selbst zu kämpfen hat, wird kaum ein schwieriges Hindernis bezwingen – so gehört regelmäßiges Fitnesstraining zum meinem Alltag.
Text: Erhard Wallenäffer