Sein Geschick auf zwei oder vier Rädern zu beweisen, daran dachte direkt nach Kriegsende freilich niemand. Die Pfaffenhofener hatten gewiss andere Sorgen, so entdeckten sie erst wieder nach vier Jahren ihre Begeisterung für den Motorsport. Am 1. Juli 1949 trafen sich erneut 39 Motorsportfreunde im Hotel Müllerbräu, mit der Absicht, den früher schon bestehenden Ortsclub des ADAC wieder ins Leben zu rufen. Initiator war hierbei Lorenz Lang Senior, der von nun ab für über drei Jahrzehnte die Geschicke des Klubs leiten sollte. Der Besitzer der Stadtmühle konnte sogar zwei Vorstandsmitglieder aus der Vorkriegszeit davon überzeugen, ihre Arbeit für den Verein wieder aufzunehmen: Brauereibesitzer Anton Müller und Bäckerei-Inhaber Hans Bergmeister fungierten abermals als Schriftführer, bzw. zweiter Vorsitzender. Zur ersten Vorstandschaft in den Nachkriegsjahren gehörten auch: Sparkassendirektor Anton Froschhammer, Hotelier Josef Müller, Elektromeister Georg Brandstetter sowie der Mechanikermeister Xaver Hipp.
Experimentierfreudig war man beim MSC schon in den 1920er- und 1930er-Jahren und das sollte sich auch jetzt nicht ändern: Das erste Pfaffenhofener Sandbahnrennen, das im September 1949 während der Volksfestzeit ausgetragen wurde, war ein Meilenstein. Mehr als 5000 Zuschauer kamen an die bestehende Aschenbahn im städtischen Sportstadion, um die ausschließlich einheimischen Fahrer, bei ihren waghalsigen Kurvenduellen zu bewundern. Dass man in der Kreisstadt, mit einer Sportveranstaltung derart viele Besucher anlocken könnte, war bis dahin unvorstellbar. „Die Leute machten eine schwere Zeit durch, so war vier Jahre nach Kriegsende ein Motorradrennen das Nonplusultra“, sagt Lorenz Lang Junior, der sich noch genau an die Erzählungen seines Vaters erinnert.
Von dieser Euphorie inspiriert, beschloss man bald eine 450 Meter lange Sandbahn zu bauen. Mit beteiligt, war im Frühjahr 1950, der damals bestehende Pferderennverein und als sachkundiger Leiter des ehrgeizigen Projekts fungierte der spätere erste Bürgermeister Anton Schranz. Ihm und seinem Stab bereiteten vor allem die immens hohen Baukosten Kopfzerbrechen. Um den notwendigen Kredit abzusichern, übernahm letztlich ein kleiner Kreis von Mitgliedern die Bürgschaften bei der Sparkasse. „Bei der Gesamtsumme von rund 15 000 Mark handelte es sich so kurze Zeit nach dem Krieg nämlich um ein Vermögen“, weiß auch Lorenz Lang Junior. „Bedenkt man die damalige Wirtschaftslage, so war eine solche Bürgschaftserklärung, eine äußerst mutige und riskante Aktion“, betont er. „Mein Vater hatte hierbei einen besonders großen Anteil übernommen, was dem Großvater wiederum überhaupt nicht recht war – da gab es zu Hause richtig Ärger.“
Alle Bedenken erwiesen sich aber schon bald als unbegründet, denn bereits das erste Rennen am 17. September 1950, lockte die Pfaffenhofener massenweise an die neue Sandpiste. Im Ilmgau-Kurier war tags darauf sogar von einem „seltsamem Baumschmuck“ zu lesen: „Die Polizei versuchte die Kiebitze von ihren luftigen Logenplätzen am Rande der Rennbahn zu vertreiben. Einer war aber hartnäckig oben geblieben. Er schmückte den Baum mit einer Menge leergetrunkener Bierflaschen, welche immer wieder wie reife Früchte herunterfielen“, hieß es in der Berichterstattung. Und auch auf einem nahen Haus hätte man „durch Abtragen der Dachplatten einen großen Ausguck gewonnen.“
Von jetzt ab spielte also beim MSC Pfaffenhofen der Sandbahnsport die Hauptrolle. In einem Zwei-Jahres-Rhythmus führte man fortan internationale Rennen durch und stets rollten dabei die besten Bahnfahrer der jeweiligen Zeit an das Startband. Doch auch diverse Aktivitäten aus der Vorkriegszeit wurden bald wieder aufgegriffen: Nach wie vor waren Ausflugs-, Orientierungs- und Verfolgungsfahrten, ebenso wie Geschicklichkeitswettbewerbe mit Motorrädern sehr populär.
Für Schlagzeilen sorgte vor allem eine „Fahrt ins Blaue“ am 21. September 1952. Es handelte sich dabei keineswegs um einen gewöhnlichen Vereinsausflug, sondern um eine „ADAC-Fahrt für Kriegsopfer.“ Angeregt hatte diese Benefizaktion der damalige Ortsvorsitzende des „Verbands für Kriegsbeschädigte und Hinterbliebene“, Karl Batz: „Mit einer solchen Fahrt könnte man den vom Schicksal am härtesten getroffenen Leuten, Freude und neuen Lebensmut schenken“, heißt es in seinem Ersuchen, das er an den MSC-Vorstand adressiert hatte. Letztlich war die Anteilnahme an diesem Event ein Zeugnis für den Zusammenhalt der Pfaffenhofener in diesen Nachkriegsjahren: Rund zwanzig Mitglieder des Motorsportclubs stellten ihre Autos und Kleinbusse für diesen besonderen Sonntagsausflug zur Verfügung. Dessen Durchführung wurde wiederum durch zahlreiche, großzügige Geldspenden hiesiger Geschäftsläute und Bürger unterstützt. „Wir erlebten, zusammen mit 64 bedürftigen Mitbürgern, einen unvergesslichen Tag“, so hielt es tags darauf Josef Müller fest, der das entsprechende Protokoll verfasste. Wohin die Fahrt aber letztendlich ging, kann man den damaligen Aufzeichnungen leider nicht entnehmen.
Am Beispiel des Sandbahnrennens vom 15. Mai 1960 wird indes deutlich, welchen Stellenwert der Motorsport zu dieser Zeit hatte. Sichtet man die damaligen Unterlagen, so kommt man zum Schluss: Der Klub-Briefkasten musste in den Wochen vor dem Event fast überquellen! Für die 24 Startplätze an jenem Renntag bewarben sich nämlich nicht weniger als 68 Fahrer. „Ich möchte anfragen, ob ich nicht bei Ihrem Sandbahnrennen starten könnte? Sollten Sie mir absagen, so bitte ich Sie, mich wenigstens als Ersatzfahrer zu verpflichten“, diese Sätze schrieb beispielsweise der Nachwuchsfahrer Edi Lachner am 25. März 1960 auf eine der vielen Postkarten, die bis heute archiviert sind. Von einer stressreichen Zeit für die Organisatoren, erfährt man auch aus einem Zeitungsausschnitt vom April der Jahres: „Im Hauptquartier des Motorsportclubs im Hotel Müllerbräu wird eine Schlacht nach der anderen geschlagen. Rennleiter Josef Müller und sein Stab sind pausenlos im Einsatz.“
„Kann Hofmeister Fundin schlagen?“ mit dieser Frage als Schlagzeile, die scheinbar schon seit Tagen die Pfaffenhofener beschäftigte, erschien dann die Ausgabe des Ilmgau-Kuriers am Vortag des Rennens. Des Weiteren stellten die Reporter klar: „Die Wetten stehen für Wack!“ Ebenjener Josef „Wack“ Hofmeister aus Abensberg, seines Zeichens dreifacher Sandbahn-Europameister, war damals das Idol schlechthin. Seine Duelle mit dem mehrfachen Speedwayweltmeister Ove Fundin aus Schweden elektrisierten die Fans und auch an diesem Maisonntag wollte sich kaum jemand den angekündigten „Kampf der Giganten“ entgehen lassen. „Die örtlichen Ordnungshüter mussten gar von ihren Geisenfelder Kollegen unterstützt werden, um den schier endlosen Strom von Autofahrern und Fußgängern zum, und wieder vom Sportstadion weg zu manövrieren“, stand am folgenden Montag in der Zeitung. Mehr als 12 000 Fans waren nämlich gekommen – sie mussten allerdings anerkennen, dass letztlich die Tagesform für den Profi aus Schweden sprach: „Bei einer glanzvollen Veranstaltung musste sich der Wack nach harten Kämpfen knapp geschlagen geben. Das tat aber der guten Stimmung keinen Abbruch – die Fans freuen sich schon auf das nächste Rennen“, war bundesweit im Sportkurier zu erfahren. Grund zu einer solchen Freude hatte man noch sehr lange:
Speedway-Rennen sollten in Pfaffenhofen noch über weitere fünf Jahrzehnte stattfinden.